Die von der Naturschutzorganisation NABU seit zwölf Jahren veranstaltete „Stunde der Gartenvögel“ belegt es anschaulich: Immer mehr Vogelarten zieht es vom Land in die Stadt. Macht also Stadtluft nicht nur Menschen, sondern auch Vögel freier?
Die Antwort lautet eindeutig: Ja! Das „naturnahe“ Landleben ist leider oft nur noch eine romantische Vorstellung von Stadtbewohnern. Landwirte sehen die Natur eher als Produktionsmittel, die ihre Lebensgrundlage sichern soll. Aufgeräumte, artenarme Landschaften mit Intensivlandwirtschaft und damit einhergehenden eintönigen Lebensräumen und einem hohen Einsatz an Pestiziden sind die Folge. Stadtbewohner müssen dagegen nicht von ihrer Umgebung leben und sind daher oft eher bereit, Tiere und Pflanzen nicht nur zu dulden, sondern auch zu fördern.
Vielfältigere Natur in der Stadt
„Die Vorstellung, dass mit zunehmender Stadtgröße die Natur rausgedrängt und in den Millionenstädten schließlich ganz vernichtet wird, ist völlig falsch“, erklärt der Münchner Stadtökologe Josef H. Reichholf, der ein Buch über die „Stadtnatur“ verfasst hat. Nur in den Städten gibt es ein enges Miteinander unterschiedlichster Lebensräume und Kleinklimazonen. Hohe Gebäude ersetzen Turmfalken die Felsenheimat, Bussarde jagen in großen Parks, Wasservögel bevölkern die oft zahlreichen Gewässer. Möwen warten nach der Pausenklingel schon auf die Butterbrotreste der Schüler, Tauben auf die ausgestreuten Brotkrümel der Rentner. Jede Stadt bietet also ein Mosaik an Lebensräumen: Ob Kleingärten, Hinterhöfe, Parks, Verkehrsinseln oder Dachterrassen, viele Vogelarten finden hier einen passenden Lebensraum. Und Stadtbewohner sehen in ihnen keine lästigen Erntediebe, sondern füttern sie auch noch mit nach neuesten Erkenntnissen zusammengestelltem Vogelfutter. Pestizide werden nur in Ausnahmefällen eingesetzt, die Zahl der Fressfeinde ist erheblich geringer. Kein Wunder also, dass viele Vogelarten mittlerweile lieber in der Stadt leben.
Lesetipp: Stadtnatur: Eine neue Heimat für Tiere und Pflanzen, Josef H. Reichholf